Langes Lektüren - Margaret Thatcher. Die Dramatisierung des Politischen.

Thatcher war eine Überzeugungspolitikerin. Programm und Persönlichkeit waren bei ihr – fast immer – eins. Sie ließ niemanden kalt. Der Historiker Detleve Mares hat eine faire, leicht lesbare Biographie über die „Eiserne Lady“ geschrieben.

Die Überzeugungspolitikerin – Deltev Mares über Margaret Thatcher

Politiker mit Ecken und Kanten sowie einem unverwechselbaren programmatischen Profil sind selten geworden, meinen einige Zeitgenossen. Schon im Untertitel seiner überzeugenden Thatcher-Biographie deutet der Darmstädter Historiker Detlev Mares an, dass die „Eiserne Lady“ allerdings kein Faible fürs Wohltemperierte hatte: „Die Dramatisierung des Politischen“.  Mares zeichnet Leben und Werk der britischen Premierministerin weder als „Heldenepos“ noch als „Schurkenstück. Auf knapp 100 Seiten schildert der Autor abgewogen und fair die Vorzüge wie die Nachteile von Thatchers Persönlichkeit.

Programm und Persönlichkeit waren eins

Thatcher war eine Überzeugungspolitikerin. Programm und Persönlichkeit waren bei ihr – fast immer – eins. Sie ließ niemanden kalt. Noch anlässlich ihres Todes im Jahr 2013 fielen die Reaktionen zwiespältig aus: Bewunderung auf der einen, teilweise unmäßiger Hass bis ins Grab hinein auf der anderen Seite.

Thatcher entstammte eher bescheidenen Verhältnissen. Die Abstammung aus einem Krämerladen erfüllte sie mit Stolz. Die Werte des dominanten Vaters wie Pflichterfüllung, Sparsamkeit und Geschäftstüchtigkeit sollten seine Tochter prägen.

Schon als Oppositionspolitikerin fiel die studierte Chemikerin durch scharfe Attacken auf. In gesellschaftlichen Fragen engagierte sie sich als Vertreterin des rechten Parteiflügels der Tories für Ehe und Familie, gegen Steuererhöhungen, für wirtschaftsliberale Positionen und die Todesstrafe.

Als Parteivorsitzende und Oppositionsführerin im Unterhaus wollte Thatcher das Land ab 1975 einer Rosskur unterziehen, ausgerichtet an den Fixsternen „Mark, Moral und Monetarismus“, laut Mares das „nationale Regenerationsprogramm der Oppositionsführerin“. Thatcher hatte allen Grund für diesen Kampf, denn seit den 1960er Jahren befand sich das Land im wirtschaftlichen Niedergang und schließlich auch im Würgegriff der Gewerkschaften. Die vermeintlichen Segnungen sozialdemokratischer Politik (Verschuldung, Arbeitslosigkeit, steigende Steuern und Inflation) beutelten Britannien.

 

 

 

Sozialdemokratische „Segnungen“ beutelten Britannien

 

Thatcher, die keine Intellektuelle war, sich aber durchaus an intellektuellen Debatten erfreuen konnte, bediente sich aus dem Fundus verschiedener Denkfabriken. Dabei vertrat die Politikerin keinen „Hyper-Individualismus“, denn das Individuum sollte in seiner Entfaltung durch klassische familiäre und nationale Bande gezügelt werden. Mares verschweigt nicht, dass die Spätfolgen der Politik der „Eisernen Lady“ letztlich auch zur Verherrlichung von Profigier und Konsumansprüchen führte.

Mit dem klugen Wahlspruch „Labour isn’t working“ (Labour funktioniert nicht) kam sie schließlich an die Macht und krempelte das Land nach ihren Vorstellungen um. Sie brach das Rückgrat der Gewerkschaften. Der produzierende Sektor schrumpfte. Das Land wurde abhängiger von Dienstleistungen. Ein Grund, warum Deutschland besser durch die Krise gekommen ist als das einseitig deindustrialisierte Großbritannien.

Unangenehme Charaktereigenschaften

Die unangenehmen Seiten ihres Charakters wurden unter anderem in ihrem wenig kollegialen Regierungsstil deutlich. Im Verlauf ihrer Amtszeit verließen insgesamt 36 Minister das Kabinett. Thatcher setzte sich auch bei „harten“ politischen Themen wie Wirtschaft und Verteidigung durch, ohne ihre weibliche Seite dabei zu verleugnen. Man liest mit einem gewissen Schmunzeln, dass die Dame mit der ondulierten Turmfrisur auf einige Männer in ihrem politischen Umfeld „geradezu erotisierend wirkte“.

Thatcher war eine professionelle Medienpolitikerin, die in Debatten schlagfertig kontern konnte und akribisch an ihren Parteitagsreden feilte. Gegen Ende ihrer Regierungszeit wurde sie immer störrischer. Ihre Haltung zur deutschen Einheit kann nur als katastrophal bezeichnet werden, gerade auch deshalb, weil sie rein reaktiv war: Thatcher hatte Angst vor einem wiedervereinigten Deutschland, das bald zur Zentralmacht der Kontinents avancieren sollte. Auch ihre Haltung zum chilenischen Diktator Pinochet war nicht von moralischer und politischer Weitsicht geprägt.

Man kann sich keine Politiker backen. Jede Zeit bringt auch die politischen Charaktere hervor, die offenbar bei den Wählern und den Politikern punkten können. Während Thatcher das Land umgestaltete, war ihr das Schicksal der einzelnen Bürger herzlich egal. Diese demonstrative Kühle ist nicht erstrebenswert. An die klare Kante und das Zusammenpassen von Persönlichkeit und Politik denkt man angesichts mancher weichgespülter „Lenor-Politiker“ allerdings mit Wehmut zurück.

 

Detlev Mares: Margaret Thatcher. Die Dramatisierung des Politischen. Reihe Persönlichkeit und Geschichte, Band 171. Muster-Schmidt Verlag: Gleichen – Zürich 2014. 118 Seiten, 14 Euro.

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