Langes Lektüren - Die Dolomiten der Niederlande

Von Ansgar Lange

Die Dolomiten der Niederlande

 

Von Ansgar Lange

 

„Bis heute sind die Sauerländer einer der unbekanntesten und unverstandensten Stämme unter den Deutschen.“ Für etwas mehr Verständnis könnte nun Ulrich Raulffs schlanker Essay „Sauerland als Lebensform“ sorgen. An einer Stelle schreibt der Autor, das Sauerland habe keinen Tacitus und keinen Fontane hervorgebracht. Raulff, 1950 im märkischen Sauerland bei Meinerzhagen geboren, ist aber der Beweis, dass das „Land der tausend Berge“ durchaus Stilisten von einiger Güte hervorgebracht hat. Schließlich war er Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Leitender Redakteur im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung.

Zunächst nähert sich Raulff dem Sauerland geographisch an. Katholisch ist im Sauerland der Osten und protestantisch der Westen. Der größere, landschaftlich reizvollere Teil, ist das Hochsauerland. Das märkische Sauerland, welches bereits seit 1609 zu Brandenburg-Preußen gehörte, ist eine der bedeutendsten Industrieregionen in Deutschland. Raulff bringt das mit dem Satz auf den Punkt, Mitte des 20. Jahrhunderts habe hinter jedem zweiten Namen im Telefonbuch von Lüdenscheid die Berufsbezeichnung „Fabrikant“ gestanden. Heute ist das Sauerland trotz seiner Wald-, Berg- und Flussnatur „eine heimliche Industrieregion mit gut verdienendem Mittelstand und einer beachtlichen Millionärsdichte“. 

Viele Vorstellungen vom Sauerland und über „den“ Sauerländer sind allerdings stark vom Wald geprägt. „Der Sauerländer, hat ein Pathologe gesagt, sei von Natur aus Waldmensch. Er werde im Wald geboren, lebe im Wald und sterbe im Wald. Schneide man ihn auf, finde man ein paar Fichtennadeln“, so Raulff. Früher fanden sich im sauerländischen Wald vor allem Eiche und Buche. Dann kam die Fichte, denen Borkenkäfer und Dürre in den letzten Jahren merklich zugesetzt haben, so dass leider inzwischen ganze Berghänge kahl und entwaldet sind. 

Raulffs kurzer Text folgt keinem strengen Schema. Er reiht seine Gedanken über das Sauerland assoziativ aneinander und blendet auch private Erinnerungen ein. Das Vergnüglichste sind sicher einige Formulierungen. Hier ein paar Kostproben:

„Der Kahle Asten, um das noch kurz einzuflechten, ist so etwas wie der Kilimandscharo des Sauerlands, vielleicht aber auch dessen Berg Ararat, auf dessen Gipfel das erste Sauerländerpaar der Arche entstiegen ist.“

„Das Sauerland wurde zur Villeggiatur des Ruhrgebiets, zur regenreichen Riviera des Reviers.“

„Winterberg, der Name sagt alles. Das Mekka der Wintersportler, die Dolomiten der Niederlande.“

Wie bereits erwähnt, hat das Sauerland in der Literatur des Landes keine großen Spuren hinterlassen. Da freut es den Autor dieser Zeilen umso mehr, dass Raulff sozusagen seinen Geburtsort und sein Heimatdorf erwähnt und hervorhebt. Arnsberg, der „Perle des Sauerlands“, attestiert er einen eleganten historischen Stadtkern. Und anlässlich des Namens Niedereimer für ein Dorf bei Arnsberg stellt Raulff fest, der Preis für poetische Ortsnamen sei seit langem überfällig. Das Sauerland habe ihn verdient. Wir nehmen dies als Kompliment und Liebeserklärung an eine der schönsten Regionen Deutschlands.

 

Ulrich Raulff: Sauerland als Lebensform. Essay und Archiv. Schriftenreihe des Historischen Archivs Krupp, Band 1. Aschendorff Verlag: Münster 2021. ISBN 978-3-402-22478-6. 9,95 Euro. 


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